Piraten, Piraten

Seit die Piraten bei den Landtagswahlen im Saarland auf Anhieb die 5-Prozent-Hürde genommen haben, sind sie beliebtes Dauerthema in Politikteil und Feuilleton der grossen deutschen Blätter. Ihr respektables Ergebnis in Schleswig-Holstein rückt sie nun noch stärker in den Brennpunkt des Interesses.

Das weckt Erinnerungen. Vor etwas mehr als dreissig Jahren waren es die Grünen, die als alternative, neue Kraft am Horizont der Parteienlandschaft auftauchten, um in den darauffolgenden Jahren Ökologie, Geschlechterverhältnisse und gesellschaftliche Pluralität als bisher von den grossen Parteien nur marginal besetzte Themen zu einem festen Bestandteil des bundesrepublikanischen Themenhaushalts zu machen. Das in den Anfangsjahren der Partei zuweilen provokante Auftreten mancher Grüner (legendär in diesem Zusammenhang Joschka Fischers an die Adresse von Bundestagsvizepräsidenten Richard Stücklen im Oktober 1984 gerichteter Zwischenruf: «Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch!») sorgte schon mal dafür, dass konservative Kommentatoren entsetzt aufschrien und das Ende des Abendlandes gekommen sahen. Doch all das ist lange vorbei. Heute haben die Grünen mit alternativer Gesellschaftskritik nichts mehr am Hut und gehören zu den etablierten Parteien. Die von Rudi Dutschke einst beschworene Strategie des «Langen Marsches durch die Institutionen» scheint stets in der Vereinnahmung durch das System und nicht in der Besetzung wichtiger Positionen in Politik und Gesellschaft und der Erringung einer gesamtgesellschaftlichen Diskurshoheit zu münden.

Ereilt die Piraten also in einigen Jahren das gleiche Schicksal wie die Grünen? Werden sie – als Hoffnungsschimmer all jener, die von der traditionellen Politik enttäuscht sind und sich die Freiheit des Netzes als Garant für eine bessere Gesellschaft auf die Fahnen geschrieben haben – mit der Übernahme politischer Verantwortung vom politischen System unweigerlich «rundgelutscht», wie der ehemalige Bundesvorsitzende der Piraten, Sebastian Nerz, kürzlich in einem Interview sagte? Nein, diese Gefahr besteht nicht, denn die meisten von ihnen sind bereits perfekt rundgelutscht, geprägt von Wettbewerb und Leistungsdruck in Studium und Beruf sowie einer radikalen Entpolitisierung vieler Lebensbereiche. So überrascht es auch nicht, dass sich die aktuelle Führungsriege innerhalb der Piratenpartei bewusst meinungsneutral und vage gibt. Ihre eigene Lebenserfahrung und die Angst vor dem Shitstorm, der sie heimsucht, falls sie die «volonté générale» der Parteibasis missachtet, lässt sie jedes Profil vermissen. Bemerkenswert auch das in Interviews und TV-Talkrunden an den Tag gelegte politische Nichtwissen mancher Piraten. Es reicht eben nicht, die Gesamtheit der Welt durch die digitale Brille der «Generation Netz» deuten und verstehen zu wollen.

Fairerweise ist zu sagen, dass die Piraten aktuell noch ganz am Anfang stehen und erst noch die entsprechenden personellen, strukturellen und finanziellen Grundlagen schaffen müssen, um als Partei voll und ganz zu funktionieren. Im Hinblick auf die Bundestagswahl 2013 wird schon in den nächsten Monaten ein deutlicher Professionalisierungsschub feststellbar sein. Dass sie in den Bundestag einziehen werden, ist ziemlich sicher, denn das Bedürfnis der Wählerinnen und Wähler nach einer Alternative ist riesig. Es fragt sich allerdings, ob die Piraten diese Alternative sind. Wir werden sehen…

(Bild: Pressemappe / piratenpartei.de)